Antriebstechnik

Leistungspotential von EC-Antrieben optimal nutzen
Eigenschaften von Antrieben selbst bestimmen

Der Trend in der Automatisierungstechnik ging bisher hin zu möglichst flexiblen Komponenten, die schnell und individuell aus einem Baukasten zusammengestellt werden können. Nun erlaubt es die Miniaturisierung bei der Elektronik noch einen Schritt weiter zu gehen: Hardwarefunktionen können zum Teil durch Software „ersetzt“ werden. Ein Beispiel für diese Entwicklung sind Elektroantriebe: Ein Entwickler benötigt nicht mehr eine Vielzahl unterschiedlicher Elektromotoren, sondern programmiert moderne EC-Antriebe via integrierter Elektronik auf das Antriebsprofil der jeweiligen Anwendung, z.B. drehmomentgesteuert für eine Fadenaufwicklung oder drehzahlgesteuert für den Pumpeneinsatz.

Motoren elektronisch zu regeln und damit variable Drehzahlen, Drehmomente oder begrenzte Leistungsabgabe nach Bedarf einzustellen wird in der Automatisierung zunehmend gefordert. Bei ebm-papst verfolgt man diesen Trend schon lange und hat mittlerweile die komplette Antriebssteuerung und Leistungselektronik als K4 Modul in den Antrieb integriert. Das erweitert die Einsatzmöglichkeiten moderner, elektronisch kommutierter Antriebe. Musste man herkömmliche DC-Antriebe auf bestimmte Drehmoment- oder Drehzahlbereiche mechanisch auslegen, so decken EC-Motoren von Hause aus einen viel größeren Bereich ab. Die integrierte Ansteuerung erlaubt es nun, dieses Potential zu 100 % auszuschöpfen ohne Abstriche bei der Zuverlässigkeit zu haben. Zudem erleichtert dezentrale Intelligenz im Antrieb die Integration in die Anwendung und erspart Verkabelungsaufwand und Montagezeit.

Parametrierbarer Antrieb

Moderne EC-Antriebe punkten durch einen robusten Aufbau: die Magnetkreise können selbst höchsten mechanischen und elektromagnetischen Belastungen problemlos widerstehen. Daraus ergibt sich ein enormes Leistungspotential bei höchstem Wirkungsgrad, wobei allerdings die Leistungsbandbreite bisher nur in seltenen Fällen wirklich genutzt wird. Die neue Ansteuer-Elektronik mit der Bezeichnung „K4“ ändert das nun grundlegend. Sie überwacht die Antriebe und ermöglicht im Rahmen der vorgegebenen Parameter 100 % Motorauslastung. Antriebsvorteile wie volles Motordrehmoment ab Drehzahl 0 bei hoher kurzzeitiger Überlastfähigkeit etwa um schwere Lasten zu beschleunigen, lassen sich so optimal nutzen. Derselbe Antrieb kann neu parametriert auch feinste Fäden bei variabler Drehzahl aufwickeln oder ähnlich wie ein Schrittmotor betrieben werden und gezielt bestimmte Positionen auf Abruf selbsttätig anfahren.

Vorteile einer integrierten Steuerung

Screenshot Kickstart-Tool: Das Menü erlaubt schnelle Parameterzusammenstellung per Mausklick. Bild: ebm-papst
Screenshot Kickstart-Tool: Das Menü erlaubt schnelle Parameterzusammenstellung per Mausklick.

Die flexible Steuerung ermöglicht es, den Antrieb maßgeschneidert an die Anforderungen der Anwendung anzupassen. Drei Haupt-Betriebsmodi sind dabei möglich, der Motor arbeitet entweder im Drehzahl-, Positionier- oder Drehmomentmodus und entlastet dadurch externe Steuerungen. Die voll integrierte Regelelektronik bietet mehrere analoge und digitale Ein- und Ausgänge, die über eine RS485 Schnittstelle parametrierbar sind. Ebenso kann über zahlreiche Überwachungsfunktionen, wie Spannung, Strom, Drehzahl, Temperatur etc. die Funktion des Antriebs im Betrieb kontrolliert werden. Der Anwender kann sich so auf die Kernkompetenz seiner Entwicklung konzentrieren und der Antrieb wird mit optimalen Werten im zulässigen Kennfeld angesteuert. Zudem reduziert sich die Anzahl der nötigen Antriebsvarianten für Anwender mit breitem Anforderungsprofil enorm und nachträgliche Anpassungen im Betrieb sind ebenfalls möglich. Die Steuerungs- und Leistungselektronik macht den modernen Antrieb sehr flexibel einsetzbar und kann über das leistungsfähige PC-Parametriertool „Kickstart“ schnell parametriert werden. Zahllose Anwendungen für das Konzept sind denkbar, zwei Beispiele aus der Praxis zeigen das Potential:

Einsatz als „Lenkmotor“

Eine präzise und reproduzierbare Positionierung ist beispielsweise beim Einsatz des ECI 63.20-K4 als „Lenkmotor“ für eine aktive Hinterachse in Transportfahrzeugen gefordert. Dazu gibt die Fahrzeug-Steuerung einen Sollwinkel an den Motor aus, der im „Schrittmotormodus“ arbeitet. Der Antrieb setzt diese Eingabe dann eigenständig in einen entsprechenden Lenkwinkel um. Da die integrierte Steuerung die Lenkwinkelvorgaben motorgerecht aufbereitet und an den Leistungsteil weiter gibt, muss sich der Anwender nicht mehr um die Motorsteuerung kümmern und kann sich auf die Kernaufgabe, die richtige Positionierung, konzentrieren. Zusätzlich werden je nach Vorgabe Strom, Spannung, Position, Drehzahl und andere Parameter in einem Diagnosetool ständig überwacht und gegebenenfalls ein Alarm ausgegeben. Ein Parametriertool erleichtert die Einarbeitung und verkürzt drastisch Entwicklungs- bzw. Testzeiten. Mit nur wenigen Mausklicks sind ganze Funktionsabläufe schnell zusammengestellt, welche über 2 digitale Eingänge aktiviert werden können. Die kompakten Maße und die Überlastfähigkeit des Antriebs erlaubt es, die Lenkeinheit klein und leicht aufzubauen.

Antriebe in der Intralogistik

Dominik Häßler, Projektingenieur Applikation Entwicklung industrielle Antriebstechnik bei ebm-papst
Dominik Häßler, Projektingenieur Applikation Entwicklung industrielle Antriebstechnik bei ebm-papst

Durch die kompakten Maße und die hohe Überlastfähigkeit eignen sich die Antriebe der ECI und VDC Reihe für Einsätze auf engstem Raum mit dynamischen Anforderungen. Ein gutes Beispiel dafür ist eine Ausschleuseeinheit in der Fördertechnik. Im vorliegenden Fall wird ein Antrieb auf Basis des Motortyps VDC-3-49.15-K4 eingesetzt. Er integriert bei nur 120 mm Baulänge und 63 mm Durchmesser sowohl den Motor als auch das Planetengetriebe und die zugehörige K4 Elektronik. „Neben dem kompakten Aufbau profitiert der Kunde hier von der schnellen Parametrierung der Antriebe“, sagt Dominik Häßler, ebm-papst-Entwickler „Jeder Motor kann über die Elektronik individuell auf seine Antriebsaufgabe in der Förderstrecke eingestellt werden, das optimiert die Anlage bei gleichzeitig sinkenden Kosten für die Ersatzteilvorhaltung. Die Anzahl unterschiedlicher Antriebseinheiten reduziert sich so drastisch.“

Trotz der geringen Abmaße transportieren die Antriebe Pakete mit einem Gewicht von bis zu 50 kg bei einer Geschwindigkeit von rund 1 m/s. Die für die Verteilung bzw. Ausschleusung wichtige Beschleunigung des aufliegenden Paketgewichts beträgt rund 2,5 m/s2. Hier kommt dem Antrieb der große Wirkungsgrad der EC-Motoren zusammen mit der ausgeprägten Überlastfähigkeit zugute. Hohe, kurzzeitige Belastungsspitzen können durch die geringen Verluste und das schlanke Motordesign thermisch gut beherrscht werden.

Baukasten plus Software

Familienbild ECI-Reihe Familienbild VDC-Reihe. Bild: ebm-papst
Familienbild ECI-Reihe Familienbild VDC-Reihe.

Da die Elektronik immer nur im von der Motorauslegung vorgegebenen Leistungsbereich arbeiten kann, ist auch diese Motorreihe nach dem Baukastenprinzip aufgebaut: Um den passenden EC-Antrieb werden beliebige Komponenten wie Getriebe, Bremsen oder Elektronikmodule für die Anwendung individuell zusammengestellt. Die K4 Elektronik erweitert dann die Einsatzbandbreite dieses so konfigurierten Antriebs nochmals um ein Vielfaches, indem sie mit besonders präziser Regelung und Kontrolle das volle Potential des jeweiligen EC-Motors zu Verfügung stellt. Das Spektrum reicht bei den Innenläufermotoren der Serie ECI bis 400 Watt und bei den elektronisch kommutierten Außenläufermotoren VARIODRIVE Compact, bis 120 Watt.

Über ebm-papst
Die ebm-papst Gruppe ist der weltweit führende Hersteller von Ventilatoren und Motoren. Seit Gründung setzt das Technologieunternehmen kontinuierlich weltweite Marktstandards: von der Marktreife elektronisch geregelter EC-Ventilatoren über die aerodynamische Verbesserung der Ventilatorflügel bis hin zur ressourcenschonenden Materialauswahl u. a. mit Biowerkstoffen. Im Geschäftsjahr 2014/15 erzielte das Unternehmen einen Umsatz von knapp 1,7 Mrd. €. ebm-papst beschäftigt rund 12.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an 18 Produktionsstätten (u. a. in Deutschland, China und den USA) sowie 57 Vertriebsstandorten weltweit. Ventilatoren und Motoren des Weltmarktführers sind in vielen Branchen zu finden, wie zum Beispiel in den Bereichen Lüftungs-, Klima- und Kältetechnik, Haushaltsgeräte, Heiztechnik, IT und Telekommunikation, Pkw-Applikationen und Nutzfahrzeugtechnik.

Alle Bilder: ebm-papst

Avatar-Foto

Andreas Zeiff

Studium des Chemie-Ingenieurwesens und der Chemie, Beschäftigung mit Elektronik, berufliche Tätigkeit im Maschinenbau, seit Ende 1998 journalistisch tätig für das Redaktionsbüro Stutensee.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert