Antriebstechnik

Bewegen und Positionieren mit magnetischen Direktantrieben:
Neue Lösungen für die Präzisionsautomatisierung

Magnetische Direktantriebe bieten vor allem hinsichtlich Verschleiß und Dynamik Vorteile gegenüber klassisch motorisierten, spindelbasierten Lösungen. Da die Direktantriebe weitgehend auf mechanische Komponenten im Antriebsstrang verzichten, gibt es weniger Reibung und Spiel und damit mehr Präzision. Gleichzeitig sinken die Kosten und die Energieeffizienz steigt. Zudem sind sowohl Positions- als auch Kraftregelung möglich. In Kombination mit einem digitalen Controller lassen sich dann in vielen unterschiedlichen Bereichen Aufgaben im Automatisierungsverbund lösen, die schnelle, sub-mikrometergenaue Positionierung und geregelte Aktorkraft erfordern.

Voice-Coil-Aktor: Strom wird elektromechanisch in Kraft umgewandelt. Bild: PI
Voice-Coil-Aktor: Strom wird elektromechanisch in Kraft umgewandelt. Bild: PI

Von den Eigenschaften magnetischer Direktantriebe lässt sich in zahlreichen Anwendungsgebieten profitieren; Beispiele reichen von der Halbleiterfertigung, Biotechnologie und Medizintechnik über Kippspiegel-, Dosier-, Prüf- und Fokussieranwendungen bis hin zu Photonik oder Weltraumtechnik. Hinzu kommt, dass die Antriebe durch relativ große Stellwege, hohe Geschwindigkeiten und lange Lebensdauer überzeugen. Damit eignen sie sich für industrielle Anwendungen, die sieben Tage die Woche einen „Rund-um-die-Uhr-Betrieb“ verlangen.

Voice-Coil-Aktoren und magnetische Linearantriebe

Der magnetische Linearantrieb bietet hohe Scanfrequenzen und schnelles Einschwingen. Bild: PI
Der magnetische Linearantrieb bietet hohe Scanfrequenzen und schnelles Einschwingen. Bild: PI

Prinzipiell lassen sich für magnetische Direktantriebe unterschiedliche Antriebstechnologien nutzen. Voice-Coil-Aktoren und magnetische Linearantriebe beispielsweise machen sich die Tatsache zunutze, dass die Kraft auf einen stromdurchflossenen Leiter in einem Magnetfeld proportional zur Magnetfeldstärke und zum Strom ist. Die elektrische Energie wird in mechanische Energie umgewandelt und erzeugt eine Kraft, die je nach Stromrichtung bidirektional wirken kann. Voice-Coil Antriebe werden durch hohe Dynamik, aber relativ geringe Haltekräfte und Stellwege charakterisiert. Sie kommen als reibungsfreie Linearantriebe besonders bei Scananwendungen mit Stellwegen bis zu einigen zehn Millimetern zum Einsatz.

Magnetische Linearmotoren sind im Prinzip eine Aneinanderreihung von Voice-Coil-Aktoren. Bild: PI
Magnetische Linearmotoren sind im Prinzip eine Aneinanderreihung von Voice-Coil-Aktoren. Bild: PI

Eisenlose Linearmotoren entsprechen im Prinzip einer Aneinanderreihung mehrerer Voice-Coil-Aktoren; einzelne Spulen lassen sich nach positionsabhängigem, festgelegtem Muster ansteuern (Kommutierung). Dabei ist prinzipiell entweder die Bewegung der Spulen- oder der Magnetbaugruppe möglich, es können damit praktisch unbegrenzte Hübe erreicht werden. Solche Motoren werden sowohl für sehr hohe als auch für sehr geringe Vorschubgeschwindigkeiten eingesetzt und arbeiten präzise in einem Bereich von unter 0,1 μm/s bis zu über 5 m/s. In Kombination mit Luft- oder Magnetlagern ist eine Positionsauflösung bis zu wenigen Nanometern erreichbar.

Kraft- und Positionsregelung

Magnetischer Linearantrieb mit optionaler Kraftregelung. Bild: PI
Magnetischer Linearantrieb mit optionaler Kraftregelung.  Bild: PI

Aufgrund der Stromsteuerung und der linearen Abhängigkeit der Antriebskraft zum Strom können magnetische Direktantriebe nicht nur positions- oder geschwindigkeitsgeregelt betrieben werden, sondern auch kraftgeregelt. Die Kraftregelung ermöglicht den Betrieb von magnetischen Antrieben und Verstellern mit definierter Halte- oder Vortriebskraft. Die Kraft- und Positionssensoren können gleichzeitig ausgelesen und die Werte verarbeitet werden. Dadurch ergeben sich neben der reinen Kraftregelung die Optionen einer unterlagerten Positions- und Geschwindigkeitsregelung. Eine Auto-Zero-Funktion legt den Haltestrom fest, bei dem der Antrieb im ungeregelten Betrieb eine Kraft von 0 N aufbringt, z.B. für die Kompensation der Gewichtskraft.

Ein typischer Vertreter dieser Klasse ist der magnetische Linearversteller V-273, der optional mit einem eigens entwickelten Kraftsensor verfügbar ist. Bei ihm beträgt die Kraftauflösung 0,025 N, also umgangssprachlich 2,5 Gramm. Mit der Ansteuerung über einen digitalen Motion Controller lassen sich so Aufgaben im Automatisierungsverbund lösen, die sowohl eine schnelle Positionierung im Bereich von einzelnen Mikrometern und darunter erfordern als auch eine geregelte Aktorkraft. Eine typische Anwendung hierfür ist beispielsweise die Funktionsprüfung von Bedienelementen und Sensoren.

Flexible Anpassung an die Anwendungsanforderungen

Komplette Systemlösungen auch bei magnetischen Direktantrieben. Dazu gehören auch die passenden Controller. Bild: PI
Zu kompletten Systemlösungen bei magnetischen Direktantrieben gehören …  Bild: PI

Da gerade im Bereich der Präzisionspositionierung die Anwendungen teilweise sehr unterschiedliche Anforderungen an die eingesetzten Antriebe und Positioniersysteme haben, passt die Karlsruher Firma Physik Instrumente (PI) alle Systemkomponenten wie Motor, Messsystem, Führungstechnologie oder Ansteuerung auf die anwendungs- oder kundenspezifischen Anforderungen an. Dadurch wird eine ähnliche Technologietiefe und Flexibilität erzielt, wie bei den piezokeramischen Antrieben des gleichen Herstellers. Zusammen mit den Kenntnissen über Regelungstechnik, Führungssysteme und Nanometrologie-Sensorik sind so auch bei den magnetischen Direktantrieben individuelle Lösungen möglich.

Komplette Systemlösungen auch bei magnetischen Direktantrieben. Dazu gehören auch die passenden Controller. Bild: PI
… auch die passenden Controller. Bild: PI

Für den Anwender macht es dann praktisch keinen Unterschied, nach welchem Antriebsprinzip sein Positioniersystem arbeitet. Er kann sicher sein, dass er eine auf die Applikation maßgeschneiderte Positionierlösung erhält, einschließlich der notwendigen Controller und Sensorik, z. B. kapazitive, absolut messende Sensoren oder optische Encoder.

Jenseits der Standardtechnologie

Planarscanner von PI mit Luftlager und magnetischen Direktantrieben. Bild: PI
Planarscanner von PI mit Luftlager und magnetischen Direktantrieben. Bild: PI

Für die Wahl des für eine Positionieranwendung idealen Antriebskonzepts gibt es leider kein Patentrezept. Welche Antriebslösung sich am besten eignet, ist immer vom Zusammenspiel vieler Parameter abhängig, die die konkrete Anwendung vorgibt.

Rotationsversteller beispielsweise nutzen als Direktantrieb sogenannte Torque-Motoren. Sie überzeugen vor allem durch ihre hohe Dynamik und Positionsauflösung. Sie werden z. B. in der Materialforschung für die Probenbewegung eingesetzt und können hinsichtlich ihrer Belastbarkeit frei skaliert werden. Sie erreichen Geschwindigkeiten bis 360°/s; integrierte Encoder ermöglichen eine direkte Positionsmessung und als Option ist eine Luftlagerführung möglich, was z. B. in Präzisionsmaschinen zu einem reibungsfreien Betrieb sorgt.

Speziell ausgelegte Antriebstechnologien erzielen hohe Dynamik

Rotationsversteller mit hoher Dynamik und Präzision. Bild: PI
Rotationsversteller mit hoher Dynamik und Präzision. Bild: PI

Durch spezielle Lösungsansätze kann über die Standardtechnologien wie Voice Coil und Linearmotor hinaus eine weitere Optimierung der Lösung vor allem in Bezug auf Kraftdichte, Energieeffizienz und Baugröße erreicht werden. Hier setzt PI beispielsweise auf Resonanzantriebe mit bis zu 60 g Beschleunigung oder Reluktanzantriebe für extrem kompakte Bauformen. Spezielle Magnetanordnungen (z. B. Halbach Arrays) können darüber hinaus auch zur Gewichtsreduzierung der bewegten Komponenten beitragen, was abermals optimale Dynamik und Wirkungsgrad ermöglicht.

Beste dynamische Eigenschaften erreichen z. B. Hexapoden mit magnetischen PIMag Direktantrieben; hier sind Geschwindigkeiten von mehreren hundert mm/s und Beschleunigungen bis zu 4 g möglich. Das spezielle Design mit Festkörpergelenken verzichtet völlig auf rollende und reibende Elemente und ermöglicht dadurch eine spielfreie Bewegung ohne mechanisches Rauschen. Unerwünschte Störfrequenzen aus der Hexapod-Mechanik beeinflussen also die Messung nicht. Automatisierte Testzyklen bei der Bewegungssimulation mit hohen Frequenzen lassen sich so mit großer Beschleunigung und Geschwindigkeit realisieren. Gleichzeitig ist ein präzises Folgen vorgegebener Trajektorien möglich.

Sechsachsiges Positioniersystem, das auf dem magnetischen Schweben (Magnetic Levitation) basiert. Bild: PI
Sechsachsiges Positioniersystem, das auf dem magnetischen Schweben (Magnetic Levitation) basiert. Bild: PI

Ein weiteres Beispiel, was sich mit elektromagnetischen Antrieben realisieren lässt, liefert der PIMag 6D. Bei diesem Positioniersystem schwebt der passive Läufer auf einem magnetischen Feld und wird durch dieses aktiv. Objekte lassen sich auf diese Weise mit bisher unerreichter Führungsgenauigkeit (aktive Linearführung) in der Ebene linear bzw. rotativ bewegen. Ein wesentlicher Vorteil dieses Prinzips ist das Fehlen eines mechanischen Kontaktes im Antriebsstrang und der Führung; es gibt folglich keine Reibung. Weil es keine Reibung gibt, entsteht auch kein Abrieb, der den Arbeitsraum verunreinigen könnte. Außerdem sind keine Schmiermittel notwendig; dadurch können diese magnetisch geführten Systeme gut im Vakuum oder unter Stickstoffatmosphäre arbeiten. Bahnbewegungen sind bei einer Beschleunigung von bis zu 2 m/s² und einer Geschwindigkeit von derzeit bis zu 100 mm/s mit Nanometerpräzision realisierbar. Den magnetischen Direktantrieben werden sich so zukünftig viele weitere Einsatzbereiche erschließen.

Über Physik Instrumente (PI)
Das Unternehmen Physik Instrumente (PI) ist für die hohe Qualität seiner Produkte bekannt und nimmt seit vielen Jahren eine Spitzenstellung auf dem Weltmarkt für präzise Positioniertechnik ein. Seit über 40 Jahren entwickelt und fertigt PI Standard- und OEM-Produkte mit Piezo- oder Motorantrieben. Eine kontinuierliche Entwicklung neuartiger Antriebskonzepte, Produkte und Systemlösungen und über 200 Technologiepatente kennzeichnen heute die Unternehmensgeschichte. Dabei entwickelt, fertigt und qualifiziert PI alle Kerntechnologien selbst: Von Piezokomponenten, -aktoren und -motoren und magnetischen Direktantrieben über Luftlager, Magnet- und Festkörperführungen bis hin zu Nanometrologie-Sensoren, Regeltechnik und Software. PI ist dadurch von den am Markt verfügbaren Komponenten unabhängig, um seinen Kunden die fortschrittlichsten Lösungen anzubieten. Die hohe Fertigungstiefe ermöglicht dabei eine vollständige Prozesskontrolle, um flexibel auf die Marktentwicklungen und neue Anforderungen zu reagieren. Durch die Übernahme der Mehrheitsanteile an ACS Motion Control, einem weltweit führenden Entwickler und Hersteller modularer Motion Controller für mehrachsige Antriebssysteme, kann PI außerdem maßgeschneiderte Komplettsysteme für industrielle Anwendungen liefern, die höchste Präzision und Dynamik fordern. Mit vier Standorten in Deutschland und fünfzehn ausländischen Vertriebs- und Serviceniederlassungen ist die PI Gruppe international vertreten.

 Titelbild: PI

Ellen-Christine Reiff

Studium der deutschen Philologie, danach tätig bei Theater und Fernsehen, seit 1986 freie Journalistin beim Redaktionsbüro Stutensee mit Schwerpunkt Optoelektronik, elektrische Antriebstechnik, Elektronik und Messtechnik.

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