AntriebstechnikSensorik

Kleinstantriebe sind mit von der Partie
Seismometer messen Nanoimpulse

Hochleistungsseismometer arbeiten heute mit fast unglaublicher Präzision: Wenn man sich einen rund 10.000 km langen Balken vorstellt, der von Zürich bis Tokio reicht und in Tokio ein Blatt Papier darunter schiebt, würde ein auf dem Züricher Balkenende stehendes Seismometer ausschlagen und die minimale Änderung des Neigungswinkels exakt anzeigen. Dazu tragen vier Kleinstantriebe bei, die zudem ihre Zuverlässigkeit unter harten Umgebungsbedingungen im Außeneinsatz beweisen müssen.

Die Seismologie – abgeleitet von seismós, altgriechisch für Erderschütterung – ist die Lehre von Erdbeben und der Ausbreitung von Wellen in Festkörpern wie Gestein. Erforscht werden in diesem Zusammenhang beispielsweise die Erschütterungen, die die Bewegungen der Kontinentalplatten verursachen. Daraus lassen sich dann Rückschlüsse auf die Vorgänge im Erdinnern ziehen. Ein „richtiges“ Erdbeben ist relativ leicht zu vermessen, die Signale sind deutlich und lassen sich auch mit wenig empfindlichen Sensoren erfassen. Schwieriger wird es, wenn die Bewegungen sehr klein sind, etwa der Wellenschlag des Ozeans, der als Mikroseismik auf der ganzen Welt vorhanden ist. Das traditionelle Seismometer aus dem Titelbild hat da keine Chance. Es besteht im Prinzip aus einem Gewicht, dem Pendel, das an einer Feder hängt. Am Gewicht ist ein Stift befestigt, der bei Erschütterung Kurven auf eine fortlaufende Papierrolle zeichnet. Die Empfindlichkeit ist von der Dicke des Stiftes begrenzt: Minimale Ausschläge unterhalb der Strichbreite sind nicht mehr deutlich zu erkennen, dies entspricht bei üblichen Seismometern einem maximalen Dynamikumfang von ca. 60 dB.

„Elektronische Waage“ mit drei Pendeln

Beim Streckeisen-Breitbandseismometer bleiben die Pendel immer in Gleichgewichtsposition. Gemessen wird der Strom, der für die Nachführung benötigt wird. Je größer die einwirkende Bewegung, desto höher ist das Korrektursignal. Bild: Streckeisen
Beim Streckeisen-Breitbandseismometer bleiben die Pendel immer in Gleichgewichtsposition. Gemessen wird der Strom, der für die Nachführung benötigt wird. Je größer die einwirkende Bewegung, desto höher ist das Korrektursignal.
Bild: Streckeisen

Der Geophysiker Gunar Streckeisen entwickelte deshalb bereits vor rund 35 Jahren an der Eidgenössischen technischen Hochschule (ETH) in Zürich zusammen mit dem Assistenten Erhard Wielandt das sogenannte Breitbandseismometer STS-1. Später gründete er in Pfungen, nicht weit von Zürich, die Streckeisen AG, um solche Geräte herzustellen und in der ganzen Welt zu vertreiben. Auch diese Seismometer basieren auf beweglichen Pendeln; einen Stift allerdings gibt es nicht. Stattdessen sorgt ein elektromagnetisches Feedbacksystem dafür, dass das Pendel immer in der einmal gefundenen, austarierten Gleichgewichtsposition verbleibt. „Das funktioniert wie eine elektronische Waage“, erklärt Robert Freudenmann, Geschäftsführer bei der Streckeisen GmbH. „Gemessen wird dann der Strom, der für die Nachführung benötigt wird – je größer die einwirkende Bewegung, desto höher das Korrektursignal.“ Durch das Prinzip der Nachführung können die Breitbandseismometer einen Dynamikumfang von 145 dB abdecken.

Damit die Bewegungen in allen drei Dimensionen erfasst werden, enthält jedes Seismometer drei Pendel, die in einer leicht schrägen Position, kreisförmig angeordnet, jeweils um 120 Grad versetzt sind. Je nach Richtung der einwirkenden Kraft reagieren sie unterschiedlich. Aus den jeweiligen Korrektursignalen lässt sich dann ein dreidimensionales Bild der räumlichen Veränderung bzw. Verschiebung berechnen.

Schrittmotoren für die richtige Balance

Um die Pendel nach dem Aufbau ins Gleichgewicht zu bringen, wird je eine bewegliche Masse auf den Pendeln soweit verschoben, bis diese perfekt ausbalanciert sind. Bild: Streckeisen
Um die Pendel nach dem Aufbau ins Gleichgewicht zu bringen, wird je eine bewegliche Masse auf den Pendeln soweit verschoben, bis diese perfekt ausbalanciert sind.
Bild: Streckeisen
Das sogenannte Centering übernehmen kleine Schrittmotoren. Der Motor vom Typ 0820 ist bei 8 mm Durchmesser lediglich 20 mm lang. Ein Planetengetriebe liefert die notwendige Untersetzung. Bild: FAULHABER
Das sogenannte Centering übernehmen kleine Schrittmotoren. Der Motor vom Typ 0820 ist bei 8 mm Durchmesser lediglich 20 mm lang. Ein Planetengetriebe liefert die notwendige Untersetzung.
Bild: FAULHABER

Einmal installiert, arbeitet die hochpräzise Elektromechanik automatisch und ohne menschlichen Eingriff über lange Zeit. Entscheidend ist die exakte Ausrichtung des Seismometers und das Ausbalancieren der Pendel vor der Inbetriebnahme. „Traditionell werden Seismometer immer nach Osten ausgerichtet“, erzählt Robert Freudenmann. „Um die Pendel ins Gleichgewicht zu bringen, wird je eine bewegliche Masse auf den Pendeln soweit verschoben, bis diese perfekt ausbalanciert sind. Die Masse ist ein Zahnrad, das durch Drehen auf einer Achse hin und her bewegt wird. Es wird durch eine rechtwinklig dazu stehende Schnecke angetrieben. Zahnrad und Schnecke haben ein kleines Spiel. Wenn das perfekte Gleichgewicht erreicht ist, bleibt der Zahn der Verstellmasse ohne Berührung zwischen den Zahnflanken der Schnecke stehen, das Pendel bleibt also frei beweglich.“

Streckeisen-Seismometer arbeiten an den entlegensten Stellen der Welt. Auch die eingesetzten Motoren müssen den extremen Anforderungen standhalten. Bild: Streckeisen
Streckeisen-Seismometer arbeiten an den entlegensten Stellen der Welt. Auch die eingesetzten Motoren müssen den extremen Anforderungen standhalten.
Bild: Streckeisen

Dieses sogenannte Centering der Pendel übernehmen Schrittmotoren des Typs AM0820-V-5-56-08 mit 16:1-Planetengetriebe von FAULHABER. Der Zweiphasen-Schrittmotor in der bewährten PRECISTEP-Technologie liefert 20 Schritte pro Umdrehung und ein Drehmoment von 0,65 mNm. Mit einem Durchmesser von 8 mm und knapp 45 mm Länge ist die Motor-Getriebekombination dabei ausgesprochen kompakt.

Dazu muss sie aber noch eine ganze Reihe von Anforderungen erfüllen, um der anspruchsvollen Anwendung gerecht zu werden: geringe Stromaufnahme; präzise, spielfreie Bewegung und große Funktionssicherheit. So darf sich die Antriebslösung nicht von tiefen Temperaturen beeinträchtigen lassen, denn Streckeisen-Geräte werden auch in Nord-Alaska und nahe dem Südpol eingesetzt. Das wichtigste ist aber die dauerhafte Zuverlässigkeit: „Für Langzeitmessungen wählt man Standorte, in denen die Umgebungsbedingungen sehr stabil sind“, erklärt Robert Freudenmann. „Im Extremfall werden die Pendel vor der Inbetriebnahme das erste Mal ausbalanciert, und das zweite Mal vielleicht erst zehn Jahre später. Dann muss der Motor nach langem Stillstand sofort wieder präzise sein Werk verrichten. Von den FAULHABER-Motoren wissen wir, dass sie das können.“

Kleinstmotor sichert den Transport

Der kompakte DC-Kleinstmotor sorgt für eine sichere Arretierung der beweglichen Teile, wenn die Seismometer transportiert werden. Bild: FAULHABER
Der kompakte DC-Kleinstmotor sorgt für eine sichere Arretierung der beweglichen Teile, wenn die Seismometer transportiert werden.
Bild: FAULHABER

Nicht alle Geräte werden für Langzeitmessungen eingesetzt. In sogenannten Array-Messungen wird eine größere Anzahl von Seismometern in einem Gittermuster über ein bestimmtes Gebiet verteilt, um die Besonderheiten des dortigen Untergrundes zu erfassen. Sind die Messungen nach einigen Monaten bis Jahren beendet, wird das Gitter verschoben, die Geräte reisen zum nächsten Einsatz weiter. Die unvermeidliche Bewegung beim Transport ist aber Gift für die empfindlichen Sensoren. Damit sie keinen Schaden nehmen, werden die beweglichen Teile deshalb mit einer Transportsicherung arretiert. Das erledigt der vierte Motor im Streckeisen-Seismometer, ein DC-Kleinstmotor der Baureihe 0816SR. „Praktischerweise kann uns FAULHABER sowohl Schrittmotoren als auch Kleinstmotoren mit der passenden Spezifikation und hohen Qualität liefern“, betont Robert Freudenmann. Bei 8 mm Durchmesser ist der edelmetallkommutierte Motor lediglich knapp 16 mm lang und liefert ein Drehmoment von 0,7 mNm.

Tests im Luftschutzkeller

Auch bei den Breitbandseismometern bleibt die Entwicklung nicht stehen. Eine neue, rohrförmige Variante beispielsweise lässt sich in Bohrlöchern versenken. Nach wie vor wird aber die Montage in filigraner Handarbeit ausgeführt. Ob die Komponenten mit der nötigen Genauigkeit zusammenspielen, lässt sich erst am Ende überprüfen. Deshalb wird jeder fertige Sensor in einem Luftschutzkeller ausgiebig getestet, unter anderem auf die Unempfindlichkeit gegen Luftdruckschwankungen. Ein Ventilator bläst dazu Luft in die von dickem Beton umgebene Kammer und „bläht“ sie auf. „Man mag es kaum glauben, aber der höhere Luftdruck verändert tatsächlich den Raum, wenn auch nur um wenige Nanometer“, erklärt Robert Freudenmann. „Unsere Geräte können diese Veränderung erfassen. Wäre ein Gerät undicht, würden wir ein abweichendes Signal bekommen. Mit solchen Tests stellen wir sicher, dass nur einwandfrei funktionierende Seismometer ausgeliefert werden, welche die Abläufe im Erdinnern genau erfassen.“ Die Kleinstantriebe aus Schönaich sind dabei immer mit von der Partie.

Über Faulhaber
Die FAULHABER-Gruppe mit ihren 1.900 Mitarbeitern ist spezialisiert auf Entwicklung, Produktion und Einsatz von hochpräzisen Klein- und Kleinstantriebssystemen, Servokomponenten und Steuerungen bis zu 200 Watt Abgabeleistung. Dazu zählt die Realisierung von kundenspezifischen Komplettlösungen ebenso wie ein umfangreiches Programm an Standardprodukten wie bürstenlose Motoren, DC-Kleinstmotoren, Encoder und Motion Controller. Die Marken der FAULHABER GROUP gelten weltweit als Zeichen für hohe Qualität und Zuverlässigkeit in komplexen und anspruchsvollen Anwendungsgebieten wie Medizintechnik, Fabrikautomation, Präzisionsoptik, Telekommunikation, Luft- und Raumfahrt sowie Robotik. Vom leistungsstarken DC-Motor mit 200 mNm Dauerdrehmoment bis zum filigranen Mikroantrieb mit 1,9 mm Außendurchmesser umfasst das FAULHABER Standardportfolio mehr als 25 Millionen Möglichkeiten, ein optimales Antriebssystem für eine Anwendung zusammenzustellen. Dieser Technologiebaukasten ist zugleich die Basis für Modifikationen, um auf besondere Kundenwünsche hinsichtlich Sonderausführungen eingehen zu können.

Titelbild: Streckeisen

Avatar-Foto

Ellen-Christine Reiff

Studium der deutschen Philologie, danach tätig bei Theater und Fernsehen, seit 1986 freie Journalistin beim Redaktionsbüro Stutensee mit Schwerpunkt Optoelektronik, elektrische Antriebstechnik, Elektronik und Messtechnik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert