Kräftige Kleinstantriebe schwenken Kamerasysteme„Augen“ für den Blick ins EMV-Prüflabor
Wo Strom im Spiel ist, gibt es unweigerlich elektromagnetische Impulse, die sich auf andere elektronische Komponenten störend auswirken können. EMV-Prüfungen sind deshalb in vielen Bereichen obligatorisch, beispielsweise auch in der Automobilindustrie. Mögliche Fehlfunktionen reichen hier schließlich von Störgeräuschen im Radio bis hin zu ernsthaften Auswirkungen auf die elektronischen Steuerungs-, Sicherheits- und Assistenzsystemen. Um bei den Tests in den Prüfkammern alles im Blick zu behalten, werden Kamerasysteme eingesetzt. In ihren Schwenkköpfen sorgen DC-Kleinstmotoren für die exakte Ausrichtung der ferngesteuerten Systeme.
Moderne Fahrzeuge stecken heute voller empfindlicher Elektronik. „Angefangen hat es, als im Pkw nicht mehr nur ein Autoradio eingebaut wurde“, erinnert sich Dr. Martin Kull, Gründer und Geschäftsführer von mk-messtechnik (vgl. Firmenkasten 1). „Mit der Zeit kam immer mehr Elektronik hinzu, von ABS und Airbag bis Mobilfunk und Navigation.“ Die einzelnen Systeme dürfen sich weder gegenseitig stören noch andere Systeme außerhalb des Fahrzeugs beeinträchtigen. Auch gegen Impulse von außen sollen sie möglichst unempfindlich sein. Schon als Student an der Universität Stuttgart führte der Elektronik-Ingenieur Messungen im Prüflabor von Daimler durch. In solchen Labors werden zum Teil sehr starke elektromagnetische Wellen auch weit jenseits geltender Grenzwerte erzeugt. Die Laborkammern werden deshalb während der Tests hermetisch abgeriegelt. Was in ihrem Innern vorgeht, kann nur mit Hilfe von Kameras beobachtet werden. „Damals bekamen wir die ersten Anfragen, Überwachungsgeräte für die Testkammern zu bauen. Der Bedarf lag zunächst bei weniger als 100 Kameras im Jahr, sodass sich die großen Firmen aus dem Nischenmarkt zurückzogen.“ Hier sah Dr. Kull seine Chance und begann mit der Entwicklung und Fertigung entsprechender Kamerasysteme. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten und heute verwenden fast alle Automobilhersteller bei ihren EMV-Tests die Kameras aus Notzingen.
Passende Kamerasysteme für vielfältige Prüfaufgaben
Je nach Prüfaufgabe kommen unterschiedliche Systeme zum Einsatz, die dann entweder fest an der Wand montiert oder auf verschiedenen Stativen befestigt werde. Außerdem gibt es eine sogenannte „Sitzkiste“, die auf dem Fahrersitz platziert wird und bis zu sechs Kameras aufnehmen kann. Damit lassen sich während der Tests das komplette Armaturenbrett, sämtliche Displays, Anzeigen und Steuerungselemente des Fahrzeugs beobachten. Der Trend zu Elektromobilität kommt mk-messtechnik entgegen, da die elektromagnetische Verträglichkeit bei Elektrofahrzeugen eine noch wichtigere Rolle spielt als bei Autos mit Verbrennungsmotor. Zudem muss auch die Elektronik in Zügen, Flugzeugen und Schiffen solche EMV-Tests durchlaufen.
Um die Abläufe beim EMV-Test zu vereinfachen, wurde das Portfolio um schwenkbare Kameras mit Fernsteuerung erweitert. Ursprünglich waren sie nur für die Wandmontage gedacht. Doch die Nachfrage nach der beweglichen Variante wuchs bald auch bei den mobilen Systemen. „So mussten wir uns mit dem Thema mechanische Stabilität unter ganz neuen Aspekten auseinandersetzen. Unsere Systeme sind zwar sehr robust, aber wenn ein Stativ mit einem 800 Gramm schweren Kameraaufsatz umfällt oder dieser Aufsatz von einer groben Hand gedreht wird, ist das eine Herausforderung für das Material. Wir haben das Problem mit einer Art Rutschkupplung gelöst.“
Kameras von mk-messtechnik überwachen nicht nur die Fahrzeugelektronik, sondern auch den Wärmeverlauf. Dafür wurde die Infrarot-Kamera opto-LWIR entwickelt. Die elektromagnetischen Felder, die bei den Tests aufgebaut werden, schaffen ein gewisses Brandrisiko. Durch sehr starke Felder kann es zu einer Überhitzung der Prüflinge oder von Teilen der Anlage kommen. Bei der Prüfung von Elektrofahrzeugen kommt eine weitere Hitzequelle hinzu, wie Dr. Kull erläutert: „Elektroautos laden auf dem Prüfstand ihre Akkus durch Rekuperation wieder auf. Sind diese voll, werden die Bremsen des Autos aktiviert. Die Bremsen können überhitzen, schlimmstenfalls kann es sogar anfangen zu brennen. Einen Prüfstand einzurichten erfordert eine Summe im zweistelligen Millionenbereich. Auch die Prototypen, die getestet werden, haben einen sehr hohen Wert. Die Überwachung mithilfe von Infrarotkameras erlaubt es, diese Investitionen durch rechtzeitiges Eingreifen zu schützen.“ Für die Entwicklung der Kamera wurde mk-messtechnik für den Innovationspreis 2019 des Landkreises Esslingen nominiert.
Kleinstmotoren für präzise Ausrichtung
Um die Kameras exakt auszurichten, verwendet mk-messtechnik Antriebe von FAULHABER (vgl. Firmenkasten 2). „Wir haben zunächst mit Servomotoren und Motoren aus dem Modellbau experimentiert, aber die waren nicht präzise und robust genug. Bei FAULHABER haben wir die passenden Motoren gefunden.“ In dem Schwenk-/Neigekopf, der die Kamera ausrichtet, arbeiten zwei DC-Kleinstmotoren der Serie 1516 … SR mit Edelmetallkommutierung. Der Begriff Edelmetallkommutierung bezieht sich auf die in den Bürsten und im Kommutator verwendeten Materialien, die aus Hochleistungs-Edelmetalllegierungen bestehen. Diese Art des Kommutierungssystems wird hauptsächlich aufgrund seiner geringen Größe, des sehr niedrigen Übergangswiderstandes und des präzisen Kommutierungssignals verwendet. Es eignet sich besonders für Anwendungen mit kleiner Strombelastung, wie z.B. batteriebetriebene Geräte. Dabei haben edelmetallkommutierte Motoren ihren optimalen Arbeitspunkt für Dauerbetrieb bei Last am Punkt oder nahe ihres höchsten Wirkungsgrades. Diese Argumente sprachen ebenfalls für den Antrieb, denn der Strom fürs Schwenken kommt aus den Akkus der Kameras.
Die bei einem Durchmesser von 15 mm lediglich 16 mm langen Kleinstmotoren liefern ein Dauerdrehmoment von 0,59 mNm. In der beschriebenen Kameraanwendung wurden sie mit einem Stirnradgetriebe der Serie 15/8 und einer Übersetzung von 900:1 kombiniert. „Anfangs hatten wir ein 500:1-Getriebe getestet, doch das war zu schnell. Mit der höheren Übersetzung dreht der Schwenkkopf zwar etwas langsamer, kann aber größere Gewichte bewegen.“ Bis auf das eigentliche Kameramodul und die Antriebe, die zugekauft werden, entwickelt und fertigt mk-messtechnik das gesamte System selbst, zum Nutzen der Kunden, wie Dr. Kull betont: „Wenn die Aufgaben komplex werden oder individuelle Änderungen notwendig sind, können wir so sehr flexibel reagieren. ‚Geht nicht‘ gibt es bei uns nicht, jedenfalls nicht innerhalb der Grenzen der Physik.“
Weitere Informationen finden Sie unter: https://www.faulhaber.com/de/produkte/dc-motoren/