Hundertjähriger Tausendsassa für Elektrik, Elektronik und Maschinenbau:Pertinax – traditionsreiches Material mit neuer Zukunft
Der Werkstoff Papier hat bis heute in der Elektrotechnik und Elektronik eine große Bedeutung. Dabei geht es allerdings nicht um irgendein Papier, sondern um Hartpapier, das unter der Bezeichnung „Pertinax“ fast jeder kennt. Mit über 100-jähriger Tradition (vgl. Kastentext) gehört es zu den klassischen Isolierstoffen. Es besteht heute aus hochwertigem Papier als Trägermaterial und Phenol-Harz als thermohärtendem Bindemittel. Dieses Hartpapier eignet sich als Elektroisolierstoff für viele Anwendungen in der Elektrotechnik und Elektronik, kann aber seine Stärken auch im Maschinen- oder Apparatebau ausspielen. Aufgrund seines guten Preis-Leistungs-Verhältnisses dürfte das vielseitige Material deshalb nicht nur aktuell, sondern auch zukünftig praktisch ohne ernstzunehmende Alternative bleiben.
Pertinax hat eine ganze Reihe an Eigenschaften, die es in vielen Bereichen zum Problemlöser werden lässt. Dazu gehören beispielsweise seine Langlebigkeit und die hohe Temperaturbeständigkeit bis ca. 130 °C bei geringer Thermoelastizität und Wärmeleitung. Es ist schwer entflammbar, außerdem beständig gegen Feuchtigkeit und Mineralöl und überzeugt durch eine gute Biegeelastizität. Hinsichtlich seiner elektrischen Eigenschaften ist es dabei dem (teureren) Glimmer sehr ähnlich und ein effizienter Ersatz für Fiber und Hartgummi in elektrischen Apparaten. Zudem kann Hartpapier in vielen unterschiedlichen Formen angeboten werden, da es bruchfest und elastisch ist; seine mechanischen Eigenschaften bei der Verarbeitung sind in etwa mit Eichenholz vergleichbar. Und da es größtenteils aus Papier, also einem nachwachsenden Rohstoff besteht, ist es auch im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit oft eine gute Alternative zu Epoxidharzen oder glasfaserverstärkten Kunststoffen.
Pertinax – der Inbegriff von Hartpapier
Die Geschichte von Pertinax beginnt mit dem vermutlich ältesten und zweifellos wichtigsten Unternehmen zur Herstellung von Isolierstoffen: Meirowsky & Co, das 1893 gegründet wurde. Mit dem steigenden Bedarf der Elektro-Industrie an Rohglimmer stiegen auch die Preise und so begann eine Marktlücke zu wachsen, die Meirowsky nutzen wollte. Seine Erzeugnisse bestanden aus mit Naturharz (Schellack, aus dem Sekret von Lackschildläusen) imprägnierten Papier. Das imprägnierte Papier schichtete er nach dem Vorbild der Lamellenstruktur des Rohglimmers übereinander und verpresste es zu Hartpapier. Durch dieses Herstellungsverfahren erhielt Meirowsky nun ein Produkt, das eine mit Rohglimmer vergleichbare Wirkung erzielte. Einen Hype erlebte das Material dann in der Zeit des Deutschen Reiches. Damals galt es Alternativen zu finden, die unabhängig von Rohstoff-Importen waren. Deshalb wurde Pertinax zum Inbegriff von Hartpapier, da es weitgehendst auf Basis inländischer Rohstoffe produziert werden konnte. In den 1970er und 1980er Jahren wurde die Produktion dann auf moderne Epoxy-Laminate und neue Presstechniken umgestellt. Dies war die Geburtsstunde des Pertinax, das heute verwendet wird.
Vielseitigkeit ist Trumpf
Dass Pertinax nicht nur eine große Vergangenheit, sondern auch eine Zukunft hat, davon ist man bei der Dr. Dietrich Müller GmbH (vgl. Firmenkasten) in Ahlhorn überzeugt und hat darum die Namensrechte sowie sämtliche Rezepturen erworben. Dort kennt man sich mit Elektro-Isolierstoffen, Wärmeleitprodukten, Dichtungen und technischen Folien aus. Vor allem die Vielseitigkeit dieses kostengünstigen Werkstoffs begeistert: „Wir werden die Anwendungsmöglichkeiten noch weiter ausbauen und auch neue Ideen in das Produkt einbringen“, die Dr. Dietrich Müller GmbH zeigt sich überzeugt von dessen Zukunftsfähigkeit. Das Hartpapier wird derzeit in Form von Platten bis 50 mm Standard-Stärke geliefert, die zu einbaufertigen Teilen weiterverarbeitet werden können. Bei Bedarf sind auch größere Stärken möglich. Ebenfalls lassen sich Rohre, Stäbe oder andere dreidimensionale Strukturen mithilfe moderner Fräsen, Exzenter-Pressen oder CNC-Bearbeitungszentren leicht fertigen. Selbst Formteile können relativ einfach produziert werden. Für Anwendungen im Modellbau kann man Pertinax zudem mit „normalen“ Holzbearbeitungsmaschinen in Form bringen. Je nach Anwendungsbereich lässt sich der Werkstoff dann gut weiterverarbeiten, also bohren, fräsen, sägen, schleifen oder kleben, wobei eine Vielzahl unterschiedlicher Kleber geeignet ist.
Unterschiedliche Rezepturen ermöglichen es zudem, für die verschiedenen Einsatzbereiche das passende Hartpapier zu finden. So lassen sich Temperaturbereiche bis ca. 130 °C abdecken, die Chemikalienbeständigkeit an den Einsatzbereich anpassen oder die mechanischen Eigenschaften für die jeweilige Anwendung optimieren. Standardmäßig wird Pertinax in Braun gefertigt; Schwarz ist ebenfalls möglich und natürlich sind die Teile in jeder anderen gewünschten Farbe lackierbar. Sie passen sich also auch optisch der jeweiligen Anwendung an, wobei der Einsatzbereich weit gefächert ist, da er von der Elektrotechnik bis hin zum Maschinenbau reicht.
Isolationsaufgaben in der Elektrotechnik
Für viele Elektrotechniker ist Pertinax das Mittel der Wahl wenn es darum geht, Isolationsaufgaben zu lösen. So bietet sich das Material eigentlich immer an, wenn gute mechanische und elektrische Eigenschaften im Niederspannungsbereich gefordert werden, z.B. bei Labortischen, Frontverkleidungen im Innenbereich elektrischer Geräte oder bei Grundplatten für Schalteinrichtungen. Bei der Montage von Kühlkörpern entkoppeln Buchsen oder Unterlegscheiben aus Pertinax die heißen Bauteile thermisch vom Grundgestell.
Pertinax eignet sich aber auch hervorragend im Transformatorenbau als Spulenkörper oder für die Spulen-Isolierung. Bei Elektromotoren bietet es sich als Trägermaterial für Bürstenhalter an. Im Bereich der Elektromobilität könnte es sich ebenfalls einen festen Platz als Material für die Halterungen der Batteriezellen erobern. Geringes Gewicht, gute mechanische Bearbeitbarkeit sowie Robustheit und Chemikalienresistenz sind hier die entscheidenden Eigenschaften.
Widerstandsfähiges Verschleißmaterial für den Maschinenbau
Im Maschinen- und Apparatebau werden zahlreiche Verschleißmaterialien benötigt, z.B. Dichtungen, Lager und Buchsen. Hier beweist Pertinax vor allem seine Langlebigkeit, Temperaturbeständigkeit und punktet mit geringer Wärmeleitfähigkeit sowie Biegeelastizität. Ähnliches gilt für den Einsatz als Flanschplatten- oder Wellen-Material. Auch hier lässt sich kaum ein Werkstoff mit einem ähnlich guten Preis-/Leistungsverhältnis finden. Auch in Zukunft wird das traditionsreiche Hartpapier als moderner Werkstoff deshalb in vielen Technikbereichen das Mittel der Wahl bleiben.
Alle Bilder: Dr. Dietrich Müller GmbH
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Hallo, vielen dank für die Informationen in diesem Artikel zu diesem bemerkenswertem Material. Vorallem die Vielseitigkeit spricht für sich und auch die Kombination mit den anderen Verwendungsmöglichkeiten ist mir wichtig. Das Pertinax hier so gut abschneidet kommt mir gelegen. Vorwiegend lege ich hier meinen Focus auf die Elektrotechnik.