Thermografische Komplettlösungen für Sicherheit und ProzesskontrolleMit smarter Technik die Temperatur im Blick
Thermografische Verfahren, deren typische Falschfarbenbilder Temperaturen visualisieren, eignen sich für viele Bereiche. Besonders vielfältig sind die Anwendungsmöglichkeiten in der Industrie bei der Überwachung temperaturabhängiger Prozesse. Nicht nur Heißwalzen, Kunststoffschweißen oder Glashärten liefern dafür typische Beispiele, sondern auch in Chemie, Petrochemie, dem Energiebereich oder der Automobilindustrie gibt es Applikationen. Zudem lassen sich oft auch Sicherheitskonzepte einfacher realisieren, beispielsweise wenn es gilt, Glutnester oder andere Hitzespots aufzuspüren, die in kritischer Umgebung zu Explosionen führen könnten. Thermografische Komplettsysteme, bestehend aus smarten, ATEX-zugelassenen Wärmebildkameras und darauf abgestimmter modularer Bildverarbeitungssoftware, erschließen jetzt interessante Möglichkeiten, da sie sich an ganz unterschiedliche Szenarien anpassen lassen.
Im kurzwelligen Infrarotbereich (SWIR) sind viele Dinge erkennbar, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben. Die Beispiele reichen von der Druckstellenerkennung bei Früchten, die Inspektion von Getreide bis hin zu Fabrikationsfehlern bei Silizium-Wafern oder Solarzellen. Polytec (vgl. Firmenkasten) hat hierfür schon seit geraumer Zeit entsprechende Flächen- und Zeilenkameras, Zeilenarrays, Smartcams, Videokameras und Sichtgeräte für das kurzwellige bis langwellige Infrarot als erfahrener Distributor im Programm, darunter auch hochmoderne InGaAs- und Mikrobolometer-Kameras. Aber eine praxisgerechte Thermografieanwendung braucht weit mehr als eine Kamera. Das Waldbronner Unternehmen bietet deshalb jetzt auch intelligente Kamerasysteme als Komplettlösung an, einschließlich Software sowie Engineering, und unterstützt den Anwender mit seinem Knowhow bei der Inbetriebnahme vor Ort.
Intelligente Kamera plus anpassungsfähige Software
Als „Herz“ der thermografischen Komplettlösung wählten die Waldbronner eine Thermografie-Kamera des deutschen Herstellers AT – Automation Technology GmbH, die als intelligentes System speziell für den Industrieeinsatz entwickelt wurde (Bild 1). Sie vereint einen radiometrisch kalibrierten Wärmebildsensor, einen leistungsstarken Prozessor und eine Vielzahl industrieller Schnittstellen in einem kompakten, robusten IP67-Gehäuse. In Kooperation mit Polytec entstand eine SystemLösung unter Beachtung von ATEX-Richtlinien, die direkt mit der Prozess-Steuerung kommunizieren kann. Sie wird so konfiguriert, dass sie zum Beispiel bei bestimmten Schwellenwerten Alarme ausgibt oder bei Bedarf automatisch zwischen mehreren Inspektionsaufgaben wechselt.
Für weiterreichende Analysen der Kamerasignale, komplexe Bildverarbeitungsmöglichkeiten und eine übersichtliche, detaillierte Darstellung hat Polytec in Kooperation mit den Softwareexperten der kernel concepts GmbH zudem eine leistungsfähige Software entwickelt, die auch durch ihren modularen Aufbau überzeugt. Dadurch „sieht“ der Anwender immer nur das, was er für seine Applikation braucht. Einfachere Aufgabenstellungen sind damit ebenso realisierbar wie hochperformante Thermografielösungen zur Prozessüberwachung sowie Qualitätssicherung bis hin zu Industrie 4.0 und Deep-Learning bei der Temperaturmesstechnik. Wie gut sich das thermografische Komplettpaket selbst in bereits bestehende Anlagenstrukturen integrieren lässt, zeigt ein Beispiel aus der Papierherstellung.
Temperaturmonitoring erkennt Glutnester
Ein internationaler Papierkonzern stellt in einer Fertigungsanlage in Nordrheinwestfahlen Toilettenpapier, Haushaltstücher und Industrierollen her. Die Energieversorgung übernimmt ein eigenes Kohlekraftwerk. Beim Transport der Kohle zum Kraftwerk gelten die Anforderungen der Ex-Zone 22, weil der in der Luft vorhandene Staub durch eventuelle Glutnester in der Kohle explodieren könnte. Solche Glutnester lassen sich heute rund um die Uhr mit den intelligenten Wärmebildkameras zuverlässig erkennen (Bild 2a und b).
An den Förderstrecken sind dazu insgesamt vier Kameras installiert (Bild 3). Sie wurden wegen der rauen Umgebungsbedingungen und der potentiell explosiven Atmosphäre in einem Ex-Schutzgehäuse untergebracht; eine integrierte Freiblaseinrichtung hält die Optik auch bei ungünstigen Bedingungen staubfrei. Falls die Temperatur im Förderstrom ansteigt, geben die Kameras eine Warnmeldung aus. Schwellenwerte für Vor- und Hauptalarm sind in den Systemen hinterlegt und die Kameras sind über ein Netzwerk mit einem Embedded-PC verbunden, der die Daten über MODBUS der Leitwarte zur Verfügung stellt. Hier sind alle Livebilder der Kameras inklusive Trendanzeigen auf einem Monitor zu sehen (Bild 4). Voralarme, Alarme und die im Ringspeicher der Kameras zwischengespeicherten Betriebsdaten werden in einem Datenmanager archiviert. Bei Bedarf lassen sich diese Daten mit den Bildern zusammen abrufen und anzeigen. Für den „Fail-Safe“-Betrieb in dem sicherheitsrelevanten Überwachungssystem stellen die Kameras ebenfalls die entsprechenden Signale und Auswertungen zur Verfügung: ein Wechselsignal als Heartbeat, Betriebszustand und die Feuchte- und Temperaturüberwachung des Gehäuses.
Technische Unterstützung für eine reibungslose Inbetriebnahme
Die Inbetriebnahme des Systems verlief dank guter Vorbereitung reibungslos (Bild 5). Die mechanische Installation und die Verdrahtung zur Leitwarte übernahm der Anlagenbetreiber gemeinsam mit einem Subunternehmer. Hierbei konnte sich das Montageteam ebenso auf die Unterstützung durch Polytec verlassen wie bei der finalen Einrichtung. Außerdem übernahmen die Waldbronner alle Anpassungen beim Einfahren des Systems, z.B. die Definition des Überwachungsbereichs, der Temperaturschwellenwerte oder beim Prüfen beziehungsweise Simulieren des Alarmmanagements. Die Mitarbeiter im Kohlekraftwerk wurden entsprechend geschult, sodass sie im laufenden Betrieb eventuell auftretende Schwierigkeiten selbst beheben können. Polytec steht im Fall der Fälle aber auch weiterhin zur Verfügung. Geplant ist eine Fernwartung via Remote-Software in Absprache mit der IT-Abteilung des Anwenders.
Ähnliche Anwendungsmöglichkeiten für das thermografische Überwachungsverfahren mit den intelligenten Wärmebildkameras gibt es viele. So können alle prinzipiell brennbaren Stoffe, die nicht inert gelagert werden, ähnlich wie Kohle Glutnester bilden. Ein typisches Beispiel dafür sind Holzpellets oder Hackschnitzel. Genauso effizient lassen sich aber auch die Temperatur von Reaktoren in der Prozessindustrie überwachen oder andere temperaturrelevante Prozesse kontrollieren, zum Beispiel in der Kunststoffverarbeitung, der Stahlindustrie oder im Automotive-Bereich. Auch bei temperaturkritischen Prozessen bei der Batterieproduktion oder in der Öl-, Gas- und Petrochemie bietet es sich an, mit smarten ATEX-zugelassenen Komplettlösungen die Temperaturen im Blick zu haben.