Mit smarten Tools zur Digitalisierung
Effizienz ist bei modernen verfahrenstechnischen Anlagen essentiell. Sie lässt sich nur erreichen, wenn die Daten aus der Planungsphase auch für Betrieb, Instandhaltung und Modernisierung verfügbar sind. Eine durchgängige Dokumentation muss allerdings mit den geeigneten Tools gepflegt und immer auf dem aktuellen Stand gehalten werden, vor allem bei Wartungsmaßnahmen, Änderungen, Umbauten und Erweiterungen. Nur dann stimmen Anlagenrealität (As-Built) und die Dokumentation zu jedem Zeitpunkt verlässlich überein. Wer hier konsequent ist, kann dann beispielsweise auch für Audits oder Sicherheitsprüfungen Dokumente digital erstellen, die den behördlichen Anforderungen standhalten.
Die Chemieunternehmen der INEOS Gruppe (vgl. Firmenkasten 1) setzen im Zuge ihrer „Smart Manufacturing Initiative“ schon seit einiger Zeit auf standortübergreifende Optimierung und Harmonisierung der Prozesse. Dazu zählt auch eine möglichst einheitliche Anlagendokumentation sowie einheitliche Tools zur Planung und Betriebsbetreuung (Bild 1). Hier profitiert INEOS Styrolution, ein weltweit tätiger Hersteller von Styrolkunststoffen an den Standorten Antwerpen, Ludwigshafen und Schwarzheide schon länger von den Dokumentationstools ProDOK (Bild 2) und LiveDOK (Bild 3) des Karlsruher Automatisierungsspezialisten Rösberg (vgl. Firmenkasten 2).
As-Built-Dokumentation und Betriebsbetreuung
LiveDOK hilft dabei die As-Built Dokumentation komplett papierlos zu erfassen und stets für jedermann zugänglich zu machen. Hinzu kamen in den letzten Jahren Redlining Funktionen, eine Paketverwaltung nach dem Vier-Augen-Prinzip bei besonders kritischen Workflows und neuerdings auch eine webbasierte Version. Das praxisgerechte Tool ist heute aus dem täglichen Betrieb nicht mehr wegzudenken und unterstützt Ingenieure und Techniker in den verschiedenen Bereichen rund um die Anlagendokumentation.
ProDOK nutzt INEOS Styrolution für die Planung und Betriebsbetreuung der verfahrenstechnischen Anlagen. Damit lassen sich alle Betriebe im Bereich PLT digitalisieren, weil Fremddaten und Dokumentationen in beliebigen Formaten zu integrieren und zu managen sind. 2019 wurden alle drei Standorte auf die neuste Version der Software migriert. Als jüngster Standort profitiert jetzt INEOS Phenol in Gladbeck von den einheitlichen Projekt- und Stammdaten dieser Struktur, die am Chemiestandort Marl auch bereits etliche andere Anlagenbetreiber nutzen. Innerhalb kurzer Zeit konnten im Gladbecker Werk mit Unterstützung der Automatisierungsspezialisten die Daten aus unterschiedlichen Systemen in die PLT-Plattform importiert werden.
Christian Nadolski, Head of Project Development & CAPEX Management (Bild 4) berichtet: „Ganz wichtig bei der Entscheidung für Tools zur Digitalisierung ist: Sie dürfen nicht zu mächtig sein, sonst wird zu viel Fachkompetenz und administratives Personal erforderlich. ProDOK ist hier praktisch selbsterklärend, einfach zu bedienen und eine Out-of-the-box-Lösung, die die Bedürfnisse unserer Planungs- und Instandhaltungsmitarbeiter zu 100 % befriedigt.“ Das CAE-PLT-System sorgt für einen integrierten Planungsprozess nach einheitlichen Regeln und setzt dabei auf modernste Software-Technologie. Dadurch erschließen sich viele Möglichkeiten, die weit über die Planung hinaus gehen, z.B. in Hinblick auf Visualisierung, Modularisierung, Integration in verschiedene Systemlandschaften, Datenbanken, Cloud-Anwendungen und ERP-Systeme (SAP)
Schnelle Realisierung
Aktuell beispielsweise wird im Chemiepark Marl von INEOS eine Produktionsanlage für Cumol gebaut (Bild 3), einem wesentlichen Rohstoff für die Produktion von Phenol und Aceton. Auch hier sind die beiden Softwaretools aus Karlsruhe im Einsatz.
Das Neubauprojekt in Marl startete im Dezember 2020 und kommt seitdem gut voran. Derzeit werden die Herstellerdaten der in der Anlage verbauten Sensoren, Aktoren etc. per NE100 beziehungsweise eCl@ss in das PLT-System übernommen. Vor allem eCl@ss als ISO- bzw. IEC-normkonformer und branchenübergreifender Standard eignet sich ideal für die durchgängige Beschreibung prozesstechnischer Daten. Das schafft Übersicht und ermöglicht standortweite und standortübergreifende Vergleiche und Auswertungen für die PLT-Planer, Betriebsbetreuer und Produktionsmitarbeiter. Auch die gesamte I/O-Belegung des Honeywell Prozessleitsystems konnte einschließlich Verdrahtung importiert werden, sodass eine große Anzahl der PLT-Stellenpläne aus den Daten generiert werden kann. „Schlussendlich werden über 3.000 Messstellen, ca. 9.000 PLT-Geräte und rund 100 Sicherheitsfunktionen (SIF) in ProDOK dokumentiert sein“, ergänzt Nadolski. „Wir haben dann eine konsistente und moderne Betreiberdokumentation mit allen benötigten Dokumenten für den Anlagenbetrieb, wiederkehrenden Prüfungen und Audits.“ Behördliche Anforderungen hinsichtlich Betriebssicherheit und Störfallverordnung sowie wiederkehrende TÜV-Abnahmen in Bereichen der funktionalen Sicherheit und des Explosionsschutzes können so viel leichter und mit weniger Personal erledigt werden.
Kosten optimieren und Verpflichtungen erfüllen
Änderungen, die sich im laufenden Anlagenbetrieb ergeben, lassen sich ebenfalls komfortabel erfassen und in die Dokumentation einpflegen. Dafür sorgt die Dokumentationssoftware LiveDOK, die auf die Prozesse und Belange des Engineerings, der Inbetriebnahme sowie der Betriebsbetreuung von Maschinen und Produktionsanlagen zugeschnitten ist. Sie bietet die Möglichkeit, sämtliche Dokumente, Pläne und Unterlagen von industriellen Anlagen digital und in Echtzeit zu verwalten, zu durchsuchen und zu korrigieren. Änderungen, Ergänzungen und neue Dokumente werden sofort eingespielt und sind für alle Projektbeteiligten sichtbar. „Unsere Nachweispflichten, beispielsweise bei wiederkehrenden Prüfungen, können wir so viel einfacher erfüllen“, freut sich Nadolski. „Alle Serviceeinsätze rund um das Thema Betriebssicherheit und „Useful Lifetime“ von Feldgeräten und Systemkomponenten sind dokumentiert. Die Geräte dürfen teilweise länger in Betrieb bleiben und müssen nicht unbedingt turnusmäßig getauscht werden. Die Nachweise dafür gibt es quasi auf Knopfdruck.“
Im Zuge des Projekts trainierten die Automatisierungsspezialisten von Rösberg sowohl die Mitarbeiter des Chemieunternehmens als auch die Kontraktoren, die jetzt ebenfalls von der durchgängigen Dokumentation profitieren, z.B. auch bei zukünftigen Modernisierungen und Montagevergaben. Planungsmappen können digital übergeben werden und die Rückdokumentation ist ebenfalls gesichert. „Zukünftig sind wir damit bestens gerüstet“, ergänzt Nadolski. „ProDOK und LiveDOK sind in der Prozesstechnik etabliert und werden kontinuierlich weiterentwickelt, gehen also mit den einschlägigen Normen und den Anwenderwünschen mit.“ Das gilt auch international. Im US-amerikanischen Chemiepark Mobile (Alabama) sind die beiden Tools bei vielen Betreibern bereits seit Jahren ebenfalls im Einsatz.
Heute ist RÖSBERG ein international erfolgreicher Solution Provider für Automatisierungstechnik und von innovativen Softwareapplikationen. Zum Aufgabenspektrum gehört das Basic- und Detail-Engineering für die Automatisierung von prozess- und fertigungstechnischen Anlagen sowie die Konfiguration, Lieferung und Inbetriebnahme von Prozessleitsystemen. Zudem verfügt das Unternehmen über umfangreiche Projektierungs- und Anwendererfahrung beim Einsatz sicherheitsgerichteter Steuerungen, ist Experte für Funktionale Sicherheit und bietet im Bereich der Informationstechnik branchenspezifische Softwarelösungen an. Das PLT-CAE-System ProDOK ist seit über 30 Jahren international erfolgreich. Unter dem Namen Plant Solutions begleiten die neue Systemgeneration ProDOK, die digitale Anlagendokumentation LiveDOK samt der Webapplikation LiveDOK.web und dem Plant Assist Manager (PAM) Produktionsanlagen während des gesamten Lebenszyklus von Planung, Bau, Inbetriebnahme, Modernisierung und Erweiterung bis hin zur Stilllegung.
Urheber Titelbild: INEOS