Justage mechanischer und optomechanischer KomponentenLinearer Antrieb für die Langzeitpositionierung
Piezokeramische Antriebskonzepte ermöglichen heute für praktisch jede Aufgabenstellung im Bereich der Präzisionspositionierung eine passende Lösung. Allen Konzepten gemeinsam sind dabei stets die kompakten Abmessungen und die Positioniergenauigkeit bis in den Nanometerbereich. Als besonders platzsparende und preiswerte Mikroantriebe gelten beispielsweise piezobasierte Trägheitsantriebe. Je nach Ausführung können sie mehrere 10 N Kraft oder Geschwindigkeiten bis 10 mm/s erreichen und lassen sich gut in die unterschiedlichsten Applikationen integrieren.
Piezobasierte Trägheitsantriebe nutzen den Stick-Slip-Effekt für feine Schritte mit wenigen Mikrometern Schrittgröße. Ein piezoelektrischer Aktor dehnt sich aus und nimmt einen bewegten Läufer mit. Im zweiten Teil eines Bewegungszyklus kontrahiert der Aktor so schnell, dass er am bewegten Teil entlang gleitet und dieser aufgrund seiner Trägheit die Bewegung nicht nachvollziehen kann, also auf seiner Position verharrt. Die elektrische Ansteuerung ist einfach; ihr Ausgangssignal erinnert an eine Sägezahnspannung. Die Antriebe bauen klein, wodurch sich ihnen viele Anwendungsgebiete erschließen. So können Justageaufgaben an unzugänglichen Orten automatisiert werden, zum Beispiel für die Positionierung von Linsen, Spiegeln, Shuttern oder Blenden in Mess- und Medizingeräten oder wissenschaftlichen Aufbauten von Endoskopen bis hin zu Einrichtungen für die Laserstrahlsteuerung. Wenn die piezoelektrischen Trägheitsantriebe verwendet werden, um Schrauben zu bewegen, steigert hier die Gewindeübersetzung, anders als bei Direktantrieben, Kraft und Auflösung.
Ersatz für manuelle Mikrometerschrauben
Dabei beweisen die piezobasierten Trägheitsantriebe bei der Integration in die unterschiedlichen Applikationen, wie flexibel sie sich variierenden Aufgabenstellungen anpassen können. Ein typisches Beispiel dafür liefert der PiezoMike Linearaktor N-470, der von der Karlsruher Firma Physik Instrumente zur automatischen Justierung mechanischer und optomechanischer Komponenten entwickelt wurde. Die Radiant Dyes Laser & Accessories GmbH beispielsweise setzen die piezobasierten Trägheitsantriebe in ihrer Kippspiegelmechanik ein als Ersatz für manuell zu betätigende Mikrometerschrauben.
„Für die Auswahl sprachen gleich mehrere Gründe“, erläutert Hans Dieter Müllenmeister, der Geschäftsführer der Wermelskirchener Laserspezialisten. „So hat uns zum einen die hohe Flexibilität beeindruckt, die PI bei der OEM-Integration bewiesen hat und zum anderen überzeugte uns die Qualität dieser Antriebe. Sie werden in Deutschland gefertigt und „made in Germany“ ist eben doch ein Markenzeichen, wie uns die praktische Erfahrung der letzten Jahre gelehrt hat.“ Bei der Kippspiegelmechanik sind solche Kriterien entscheidend, vor allem da sie meist an unzugänglichen Stellen verbaut sind. Bei diesen „Set-and-Forget“-Anwendungen kann sich eine Lebensdauererwartung von mehr als einer Milliarde Schritten schließlich sehen lassen. Umgerechnet würde dies einem Verfahrweg von 20 m oder 100 Stunden Dauerbetrieb entsprechen, was angesichts der kleinen Stellwege von wenigen Mikrometern, der kurzen Stellzeiten und der vergleichsweise seltenen Bewegungen mehr als ausreichend ist.
Passt sich der Anwendung an: Klaue statt Läufer
In der Kippspiegelmechanik sorgt der PiezoMike für eine hochauflösende und stabile Positionierung. Er entwickelt durch die Kombination von Piezoaktor und mechanischer Gewindeübersetzung eine hohe Haltekraft von mehr als 100 N und läuft auch nach längeren Stillstandszeiten zuverlässig an. Der Antrieb ist selbsthemmend, muss im Stillstand also nicht bestromt werden und erwärmt sich dann auch nicht. Optional ist auch der Einsatz im Vakuum möglich (bis 10-9 hPa).
Die prinzipielle Funktionsweise des Trägheitsantriebs wurde an die Erfordernisse der Anwendung angeglichen: Wie oben bereits beschrieben, dehnt sich der Piezoaktor beim Anlegen eine Spannung aus. Dieser „Stick-Effekt“ nimmt in diesem Fall jedoch keinen Läufer mit, sondern bewirkt die Drehung einer Klaue. Diese wiederum umfasst eine Schraube, die sich daraufhin dreht. Ist die maximale Ausdehnung erreicht, kontrahiert der Aktor; die Klaue gleitet um die Schraube, die aufgrund ihrer trägen Masse in ihrer Position (Slip-Effekt) bleibt. Dieser Schrittzyklus wiederholt sich, die Schraube dreht sich also weiter, bis die gewünschte Position erreicht ist und natürlich funktioniert die Bewegung auch in die andere Richtung. Die entsprechende Ansteuerung übernimmt der Treiber E-870, der speziell auf die Anforderungen der Linearaktoren abgestimmt ist. Eine Endstufe kann in einem Gerät bis zu vier Kanäle seriell ansteuern, was die Anschaffungskosten gering hält.
„Für uns bringt diese Lösung in viele Vorteile“, führt Müllenmeister weiter aus. „Die Piezo-Lösung ist viel kleiner als jede andere motorgetriebene Mikrometerschraube, die auf dem Markt erhältlich ist“. Außerdem arbeiten die PiezoMikes mit sehr hoher Auflösung; Schrittweiten von ca. 20 nm lassen sich kaum mit klassischen Schrittmotorantrieben realisieren. Dabei entwickelt der piezobasierte Linearantrieb eine Vorschubkraft von 22 N, arbeitet mit einer Geschwindigkeit von maximal 3 mm/min und ist für einen Stellweg von 7,5 mm ausgelegt. Für die erste Justage kann die Schraube, wenn es die Anwendung erfordert, auch manuell am Rändelrad gedreht werden, bis die geforderte Auslenkung grob erreicht ist. Den Rest übernimmt dann der Antrieb. „Damit passt er genau zum Anforderungsprofil unserer Anwendung und lässt sich dank seiner kompakten Abmessungen platzsparend integrieren.“ ergänzt Müllenmeister. „Dank der PiezoMike Linearantriebe ließ sich die Justage der Kippspiegelmechanik automatisieren und das mit ausgesprochen hoher Präzision.“
Titelbild: Radiant Dyes