Flexibel dank Mobilfunk:Abstell- und Rangiergleise via Webportal überwachen
Nicht immer sind da, wo Prozesse überwacht werden sollen, auch Leitungen zur Stromversorgung und Datenübertragung vorhanden. Dennoch will man auch hier nicht auf die Vorteile von Prozessüberwachung und moderner Automatisierungstechnik verzichten. Batteriebetriebene Lösungen, die das GPRS-, UMTS- und LTE-Netz zur Datenübertragung nutzen, bringen hier höchste Flexibilität und eignen sich für den weltweiten Einsatz. Ein Beispiel liefert das im Beitrag beschriebene System, das die Nutzung von Abstell- und Rangiergleisen überwacht.
Abstell- und Rangiergleise sind ein knappes Gut. Dennoch werden sie meist nicht annähernd optimal ausgenutzt, weil automatisierte Systeme fehlen, die bei der Disposition unterstützen. So werden Rangieraufträge heute üblicherweise noch in der Dispositionszentrale erstellt, quasi per „Zuruf“ an das Rangierpersonal übergeben, das nach Abschluss der Rangiervorgänge dann wiederum rückmeldet, welche Wagen nun wo stehen. Welche Gleise während des Rangierprozesses auch noch benutzt werden, auf welcher Länge ein Abstellgleis ausgenutzt ist oder für welchen genauen Zeitraum ein Abstell- oder Rangiergleis belegt wird, all das sind Informationen, die nicht zur Verfügung stehen. Hätte man diese Informationen, ließen sich neue Abrechnungsmodelle umsetzen. Der Infrastrukturbetreiber (EIU) könnte eine genauere Abrechnung erstellen und das Verkehrsunternehmen (EVU) würde dank einer optimalen Gleisausnutzung Kosten sparen.
Flexibles Gleisbeobachtungssystem
Das Eisenbahningenieurbüro Munder hat sich auf die Einführung und Pflege von Sicherheits- und Qualitätsmanagementsystemen bei Eisenbahnen spezialisiert. Es entwickelt aber auch neue Produkte, die Produktion bei Eisenbahnen sicherer und effizienter machen sollen. Vor Kurzem stellte das Unternehmen sein Gleisbeobachtungssystem vor. Das System besteht aus einer Messeinrichtung, die sich dank Universalhalterung einfach und flexibel an allen Arten von Schienenprofilen montieren lässt, und einer Auswertesoftware, auf die der Anwender per Webportal zugreifen kann. Passieren Wagen die Messeinrichtung, detektieren zwei Sensoren den Spurkranz des Rades. Auf diese Weise werden die Achsen gezählt.
Das daran angeschlossene GSM-Modul bereitet die Daten auf und überträgt danach die gültigen Zählimpulse quasi in Echtzeit an einen zentralen Server. Dort übernimmt eine besondere Software die weitere Auswertung. Sie ermittelt anhand der Anzahl der Achsen und der Überfahrtgeschwindigkeit, die Länge des abgestellten Zuges. Die Fahrtrichtung lässt sich ebenfalls ermitteln. Jede am Gleis verbaute Messeinrichtung erhält einen eindeutigen Namen, in der Auswertungssoftware ist zudem der jeweilige Montageort hinterlegt. Damit ist nun exakt nachvollziehbar, welche Gleise wie lange genutzt werden. Sind Abstell- oder Rangiergleise von zwei Seiten befahrbar, kann einfach an jedem Ende eine Messeinrichtung montiert werden. Die Geräte werden dann softwareseitig miteinander verknüpft und das System kann auch hier zuverlässig sagen, wie die Gleise ausgelastet sind. EIU und EVU können damit nun via Webportal jederzeit die aktuelle Ausnutzung einsehen.
Kabellos kommunizieren
Zwar übernimmt das Gleisbeobachtungssystem keine sicherheitskritischen Aufgaben, dennoch wird von den eingesetzten Komponenten höchste Zuverlässigkeit gefordert. Gleichzeitig sollte sich das System flexibel an allen Arten von Schienenprofilen und überall im Bahnhof montieren lassen. Das hat natürlich auch Auswirkung auf die Stromversorgung und Datenübertragung. Beides sollte kabellos funktionieren. Herzstück des Systems ist daher ein GSM-Modul. Dipl.-Ing. Dirk Munder berichtet, welche Anforderungen er an das eingesetzte Modul stellte: „Bei unserer Suche nach dem richtigen Produkt waren uns verschiedene Punkte wichtig: Wir forderten hohe Flexibilität, um das Gerät gut an unsere individuellen Anforderungen anpassen zu können. Eine hohe Schutzklasse von mindestens IP67 und ein weiter Temperaturbereich von -20 °C bis +50 °C waren ebenfalls gefragt. Und da die Gesamtlösung ohne externe Stromversorgung auskommen sollte, war uns auch ein geringer Stromverbrauch wichtig.“
Vielseitiger GSM-Datenlogger
Die Wahl fiel schließlich auf den Datenlogger MT713 aus dem Hause Welotec. Generell bietet das Gerät fünf binäre und drei analoge Eingänge sowie zwei Steuerausgänge. Ein interner Flash-Speicher ermöglicht mit einem Speichervolumen von 4 MB das Speichern von über 10.000 Einträgen vor Ort. Die Messdaten werden beim Speichern jeweils mit einem präzisen Zeitstempel versehen. Zur Übertragung der Messdaten z.B. an eine zentrale Leitwarte oder direkt zum Anlagenbediener ist eine GSM/GPRS-Datenübertragung sowie der SMS-Versand vorgesehen. Erfassen und Übertragen von Messdaten lassen sich abhängig von der Anwendung zeit- oder ereignisgesteuert einstellen. Somit werden Daten nur dann gemessen und übertragen, wenn es wirklich notwendig wird. Das reduziert den Energieverbrauch und erhöht die Standzeiten im Batteriebetrieb auf bis zu zehn Jahre. Die Batteriespannung wird regelmäßig mit den Messdaten übertragen. Programmieren lassen sich die Geräte lokal über einen USB-Port. Als Option gibt es eine RS232-, RS485- oder M-BUS-Schnittstelle. Deckelkontakte helfen, die Manipulation der oft nicht bewachten mobilen Geräte zu vermeiden. Dank zahlreicher Optionen wie beispielsweise GPS-Empfänger, innere Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsmessung oder grafische LCD-Anzeige mit Sensortasten lassen sich die Datenlogger an die unterschiedlichsten Anwendungen flexibel anpassen.
Viel Platz für eigene Ideen
Gerade von der Flexibilität des GSM-Moduls sind die Eisenbahnexperten begeistert. Munder freut sich, dass sich über die mitgelieferte Software das System sehr einfach an die eigenen Anforderungen anpassen ließ. Auch auf der Hardwareseite waren Modifikationen einfach möglich. So wurde für den speziellen Einsatzfall eine kombinierte GSM/GPS-Planar-Antenne auf der Außenseite des GSM-Moduls platziert. Außerdem freut sich Munder über den Freiraum im Modul: „Besonders gut gefallen hat uns, dass im Modul noch Platz war für eine von uns entwickelte Platine. Hier machen wir z.B. eine Datenvorauswertung, bevor das MT713 das Signal zur weiteren Übertragung erhält. Außerdem laden wir einen für das MT713-Gehäuse angepassten LiIon-Akku mit einer Solarzelle und haben den Laderregler ebenfalls auf unserer Platine integriert. Die Solarzelle wurde einfach auf dem Deckel angebracht.“
Für die Datenübertragung per GSM entschieden sich die Eisenbahnexperten, weil diese robuste Übertragungsform für die anfallenden Datenmengen vollkommen ausreichend war. Gleichzeitig wurde ein Produkt entwickelt, das zuverlässig arbeitet und weltweit eingesetzt werden kann.
Im rauen Umfeld bewährt
Dank robusten IP67- oder optional IP68-Gehäusen können die Datenlogger auch in rauer Umgebung direkt am Messort montiert werden. Die untere Grenze des weiten Temperaturbereichs von -20 °C bis +55 °C konnten die Eisenbahnexperten im vergangenen Winter zwar nicht ganz austesten. „Aber der lange, harte Winter hat doch gezeigt, dass die Geräte auch bei andauernden niedrigen Temperaturen absolut zuverlässig arbeiten“ freut sich Munder.
Zu den Anwendern des Gleisbeobachtungssystems gehört auch der Eisenbahnfreunde Traditionsbahnbetriebswerk Staßfurt e.V. Der gemeinnützige Verein betreibt 7 km Bahnstrecke und sorgt für Erhalt und Pflege eines alten Lokschuppens sowie verschiedener historischer Fahrzeuge. Das ist zwar eine andere Ausgangssituation als bei einem großen Eisenbahn-Infrastrukturbetreiber, dennoch sind die Argumente für den Einsatz des Gleisüberwachungssystems ähnlich. Michael Brandes, stellvertretender Vorsitzender, erläutert das näher: „Wir sind ja ein ehrenamtlicher Verein, das heißt, es ist nicht immer 24 Stunden am Tag jemand vor Ort. Mit dem System können wir jetzt aber trotzdem jederzeit alle Bewegungen auf unsrer Gleisstrecke aufzeichnen und wissen rückblickend, wer wann wo gefahren ist. Letzten Endes geht es ja immer um das liebe Geld. Wir wollen natürlich mit Vereinsgeldern sinnvoll umgehen und auch neue Einnahmequellen erschließen. Deshalb ist uns eine genaue Abrechnung der Gleisnutzungsgebühren, die wir von fremden Eisenbahnen verlangen, bei geringem Aufwand wichtig.“
Titelbild: Michael Brandes, stellvertretender Vorsitzender des Eisenbahnfreunde Traditionsbahnbetriebswerk Staßfurt e.V.
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