Das Londoner Crossrail-Projekt ist als die wohl derzeit größte Baustelle Europas weit über die Grenzen Großbritanniens hinaus bekannt. Um das U-Bahnnetz für die Zukunft zu rüsten, entstehen dort zwei neue, je ca. 21 km lange Tunnelröhren mit 6 m Durchmesser. Ein solches gigantisches Bauvorhaben kommt nicht ohne moderne Automatisierungslösungen aus und dazu gehören keineswegs nur die inzwischen üblichen Tunnelbohrmaschinen. So werden zum Beispiel auch die Befestigungslöcher für Kabelsysteme, Kabeltrassen und Laufwege nicht mehr manuell von Bautrupps gebohrt. Beim Crossrail-Projekt übernehmen diese Aufgabe automatisierte Bohrwagen. Magnetostriktive Wegsensoren, die sich direkt in den Hydraulikzylindern der Bohrmaschinen integrieren lassen, sind beim mobilen Einsatz unter der Erde mit von der Partie.

Der stabförmige Wegsensor arbeitet kontaktlos und eignet sich zum direkten Einbau im Druckbereich von Hydraulik- und Pneumatikzylindern.
Bild: Novotechnik
Zur Positionserfassung bei mobilen Arbeitsmaschinen setzen sich heute zunehmend kontaktlose Verfahren durch. Gründe dafür gibt es gleich eine ganze Reihe: Der magnetrostriktive Wegsensor der Baureihe TIM von Novotechnik beispielsweise liefert auch bei extrem rauen Umgebungsbedingungen sehr genaue, absolute Messergebnisse. Er punktet dabei mit hoher Druckfestigkeit und aufgrund des berührungslosen Messprinzips unbegrenzter mechanischer Lebensdauer. Außerdem eignet er sich zum direkten Einbau im Druckbereich von Hydraulikzylindern. Diese Eigenschaften verdankt er unter anderem seinem berührungslosen Messprinzip:
Berührungsloses Messprinzip – mechanisch unbegrenzte Lebensdauer
Der Messvorgang wird durch einen kurzen Stromimpuls ausgelöst, der um den Wellenleiter ein zirkulares Magnetfeld erzeugt. Senkrecht dazu verlaufen die Feldlinien des Positionsgebers, der im Wellenleiter die Messposition markiert. An der Überlagerungsstelle der beiden Magnetfelder entsteht im Wellenleiter eine elastische Verformung, hervorgerufen durch den magnetostriktiven Effekt. Die reversible Dimensionsänderung löst einen mechanischen Impuls aus, der sich im Wellenleiter als Torsionswelle mit einer Geschwindigkeit von etwa 2.800 m/s fortpflanzt. An einem Ende des Wellenleiters wird die Torsionswelle in ein elektrisches Signal umgesetzt, am anderen gedämpft, sodass es zu keinen Überlagerungen bei nachfolgenden Messungen kommt. Die Laufzeit vom Entstehungsort der Welle bis zum Signalwandler ist direkt proportional zum Abstand zwischen Positionsgeber und Signalwandler.
Die magnetostriktiven Sensoren decken Messlängen von 50 bis 2500 mm ab und sind durch die Ausführung in Edelstahl unempfindlich gegenüber praktisch allen Hydraulik-Medien. Obendrein arbeiten die Sensoren sehr genau und sind auch unter widrigen Umgebungsbedingungen zuverlässig. Die Linearitätswerte liegen bei 0,04 % (bei Messlängen zwischen 260 und 2000 mm), die Wiederholgenauigkeit bei +/- 0,1 mm unabhängig von der Messlänge. Die Sensoren sind (dauer-)druckfest bis 350 bar, verkraften problemlos Druckspitzen bis 450 bar und lassen sich dank eines innovativen Steckersystems schnell und ohne Löten, Crimpen oder Schrauben einbauen: Der Kontaktträger des M12-Steckverbinders ist bereits an die Signalleitungen des Sensors angeschlossen; er wird durch eine Bohrung im Zylinder nach außen geführt. Der Anschlussflansch (M18) lässt sich einfach auf den Kontaktträger aufstecken und außen fixieren.
Bohrwagen statt Bautrupp
Die Sensoren haben sich in vielen unterschiedlichen Anwendungsbereichen bewährt. Dazu zählen mobile Baumaschinen, wie der Bohrwagen für den Tunnelausbau in London, für welchen von ATP Hydraulik die komplette hydraulische und elektronische Systemlösung ausgelegt und entwickelt hat.
Für den automatisierten Tunnelausbau sind auf zwei Bohrwagen jeweils 37 Hilti Bohrmaschinen und Hilti Staubsauger montiert, die automatisch die Befestigungslöcher für die Kabelsysteme, Kabeltrassen und Laufwege anbringen. Dazu wurden beide Tunnel-Röhren zunächst komplett vermessen und die Bohrpläne als Datensäatze in der Steuerung des Bohrwagens hinterlegt. Für den Tunnelausbau bekommen die Bohrwagen jetzt alle 6,4 Meter einen neuen Datensatz. Für jede Bohrung wird zur Dokumentation und späteren Auswertung ein Logfile erstellt.
Zuverlässige Positionserfassung im mobilen Einsatz

Dipl.-Ing. (BA) Michael Fabianek, Technischer Leiter bei ATP Hydraulik: „Die Montage der Sensoren mit den M18-Schraubflansch ist einfach und die kontaktlose Anlenkung mit dem ringförmigen Positionsgeber – also das Funktionsprinzip – macht die Sensoren sehr robust und langlebig.“
Bild: ATP Hydraulik
Die für die richtige Platzierung und Tiefe der Bohrungen notwendige präzise Positionserfassung übernehmen die magnetostriktiven Wegsensoren. Dafür sprachen gleich mehrere Argumente, wie Dipl.-Ing. (BA) Michael Fabianek, Technischer Leiter bei ATP Hydraulik, erläutert: „Ein wesentlicher Vorteil der Sensoren ist, dass sie sich direkt in die Hydraulikzylinder integrieren lassen, die die Bohrmaschinen bewegen. Die Montage mit den M18-Schraubflansch ist einfach und die kontaktlose Anregung mit dem ringförmigen Positionsgeber macht die Sensoren sehr robust und langlebig. Davon konnten wir uns zum einen in der Testphase des Crossrail-Projekts überzeugen, zum anderen haben wir aber schon in vorangegangenen Projekten durchweg positive Erfahrung mit der Qualität dieser Sensoren gemacht. Und schlussendlich hat uns natürlich auch das gute Preis-Leistungsverhältnis überzeugt.“
Hinzu kommen dann noch weitere Eigenschaften, die für mobile Einsatzbereiche wichtig sind. So erfüllen die Sensoren, die hier geltenden hohen Anforderungen an die EMV-Verträglichkeit (EN13309 für Baumaschinen, auch ISO14982 für land- und forstwirtschaftliche Maschinen), sind gegen HF-Felder geschützt (bis zu 200 V/m, gemäß ISO 11452-2) und arbeiten an Versorgungsspannungen zwischen 8 und 34 VDC. Das Messsignal kann als analoges Strom- oder Spannungssignal oder über Feldbusschnittstellen (CAN) ausgegeben werden. Auf den Bohrwagen wird beispielsweise die 4…20 mA Schnittstelle verwendet.
- Die Wegsensoren sind direkt in den Zylindern integriert. Sie erfüllen die für den mobilen Einsatz geltenden hohen Anforderungen an die EMV-Verträglichkeit, sind gegen HF-Felder geschützt und arbeiten an Versorgungsspannungen zwischen 8 und 34 VDC. Bild: ATP Hydraulik
- Die Wegsensoren sind direkt in den Zylindern integriert. Sie erfüllen die für den mobilen Einsatz geltenden hohen Anforderungen an die EMV-Verträglichkeit, sind gegen HF-Felder geschützt und arbeiten an Versorgungsspannungen zwischen 8 und 34 VDC. Bild: ATP Hydraulik
Inzwischen haben sich die Stabsensoren beim Bohrwagen-Einsatz auf der unterirdischen Großbaustelle bewährt. Nach dem Ausbau werden auf dem zentralen Teil der Strecke in den Hauptverkehrszeiten bis zu 24 Züge pro Stunde verkehren und dabei pro Jahr etwa 200 Millionen Fahrgäste transportieren. Dazu haben dann auch die magnetostriktiven Wegsensoren aus Deutschland ihren Beitrag geleistet.
Titelbild: ATP Hydraulik
Ich habe mich eigentlich schon immer gefragt wie man einen Tunnel baut. Es ist voll interessant, dass die Mobilien Baumaschinen mit kompletten Hydraulischen und elektronischen Systemlösungen ausgestattet sind. Die Entwicklung dieser Bohrwagen sind sicherlich ein Durchbruch für den Tunnelbau.