Hexapoden bei der Vermessung optischer Komponenten
Wenn für präzise Positionieraufgaben in der Automatisierungstechnik mehrachsige Lösungen gefragt sind, bieten sich oft parallelkinematische Systeme an. Ein Beispiel hierfür sind Hexapoden, die mit ganz unterschiedlichen Stellwegen die verschiedensten Lasten auf den Mikrometer oder sogar Nanometer genau positionieren können. Die Anwendungsmöglichkeiten der sechsachsigen Positioniersysteme sind dadurch breit gefächert. Die Palette reicht von Maschinenbau und Robotik bis hin zu Medizintechnik, Forschung und hochpräziser Vermessung optischer Komponenten.
Für die Konstruktion mehrachsiger Positioniersysteme gibt es prinzipiell zwei Möglichkeiten: Serielle und parallele Kinematik (Bild 1). Eine serielle Kinematik ist als gestapeltes oder geschachteltes System einfacher im Aufbau und die Ansteuerung von Einzelachsen ist weniger komplex. Sie hat jedoch eine Reihe von Nachteilen gegenüber den Parallelkinematik-Systemen, zu denen die Hexapoden (Bild 2) zählen:


Parallelkinematik und ihre Vorteile
In einem seriellkinematischen Mehrachsensystem ist jeder Aktor genau einem Bewegungsfreiheitsgrad zugeordnet. Werden Positionssensoren integriert, sind diese ebenfalls jeweils einem Antrieb zugeordnet und messen nur die Bewegung in dem Freiheitsgrad der entsprechenden Stellachse. Alle unerwünschten Bewegungen in den anderen Freiheitsgraden, die zum Beispiel durch Führungsfehler der einzelnen Achsen entstehen, können nicht erkannt und ausgeregelt werden. Da bei Hexapoden alle sechs Aktoren unmittelbar auf die gleiche Plattform wirken, können sich keine Führungsfehler addieren.

Zu der erheblich präziseren Bewegung kommt die geringere bewegte Masse, da nur die Plattform bewegt wird. Daraus ergibt sich eine höhere Dynamik, eine deutlich bessere Bahntreue sowie Wiederhol- und Ablaufgenauigkeit für alle Bewegungsachsen. Weil es keine geschleppten Kabel gibt, ist die Präzision nicht durch Reibung oder Momente eingeschränkt. Außerdem bauen die Hexapoden sehr kompakt. Ihre Leistungsfähigkeit haben die Hexapod-Systeme der Karlsruher Firma Physik Instrumente (vgl. Firmenkasten 1) jetzt einmal mehr bewiesen. Der Messtechnikspezialist Mahr (vgl. Firmenkasten 2) setzt Hexapoden bei einem neuen berührungslosen Verfahren ein, um Optiken, insbesondere Asphären präzise, schnell, flexibel und direkt in der Produktionslinie zu messen, und das ganz ohne CGH (computergenerierte Hologramme) oder klassischem Stitching (Bild 3).
Schnelle und flexible Analyse asphärischer Linsen

„Im Gegensatz zu bestehenden Systemen, die eine Messzeit von mehreren Minuten benötigen, ermöglicht das MarOpto TWI 60 die Vermessung gesamter Oberflächen in 20 bis 30 Sekunden“, erklärt Dr. Jürgen Schweizer (Bild 4), Produktmanager bei Mahr. Bereits während der Auswertung eines Prüflings, die typischerweise etwa 2 Minuten dauert, kann der nächste Prüfling vermessen werden. Neben der geringen Vermessungsdauer punktet das System zudem durch Flexibilität. Vermessen werden können nicht nur Asphären, sondern auch andere Optiken mit von den Standardformen abweichenden Geometrien, sogenannte Freiformen. Dabei ist das System so robust, dass es direkt in der Fertigung aufgebaut werden kann.
Das neue Messsystem arbeitet ähnlich wie ein „normales“ Interferometer, erfasst jedoch den Prüfling optisch nicht „auf einmal“ vollständig in einem Bild, sondern in vielen Subaperturen, die zu verschiedenen Zeiten aktiv sind. Die Erfassung des Prüflings „auf einmal“ würde bei Asphären und Freiformoptiken mit ihren relativ steilen Oberflächen nämlich ein

Ineinanderlaufen der Interferenzmuster verursachen, welches anschließend nicht mehr aufgelöst werden könnte. Werden die einzelnen Subaperturen nun geometrisch verteilt aktiv geschaltet, treffen unterschiedlich gekippte Wellenfronten auf die Prüfoptik und zwar so, dass sich die entstehenden Interferenzmuster nicht überlappen. So erhält man letztendlich von jeder Subapertur ein ungestörtes Interferenzmuster eines lokalen Teiles der Prüflingsoberfläche (Bild 5). Anschließend werden die einzelnen Interferenzmuster zu einem Gesamtmuster zusammengerechnet. Dieses repräsentiert die Oberfläche des (asphärischen) Prüflings und kann entsprechend ausgewertet werden.
Referenzieren, Kalibrieren und Vermessen

Wie jedes Messgerät muss auch das TWI referenziert und kalibriert werden. Dazu wird eine hochgenau gefertigte Kugel bekannter Geometrie für jede Subapertur an eine Vielzahl von Positionen im Messvolumen gefahren und deren Oberfläche mit der jeweiligen Subapertur gemessen. Schlussendlich werden die individuellen Messungen ausgewertet und für jede Subapertur wird ein Korrekturalgorithmus erstellt. „Da sich laterale Positionsfehler der Kalibrierkugel im Korrekturalgorithmus der jeweiligen Subapertur auswirken, muss die Kalibrierkugel präzise im Raum positioniert werden und ihre Position muss während der Messung stabil gehalten werden. Dieser Kalibrierprozess muss das Messvolumen abdecken und wird daher an sehr vielen Positionen im Messvolumen durchgeführt. Da jeder Kalibrierfehler in den späteren Messprozess eingeht, muss jede einzelne Position sehr exakt angefahren werden. Gefordert ist ein maximaler lateraler Positionierfehler von 5 µm bei einer Wiederholgenauigkeit von weniger als 0,5 µm“, betont Dr. Schweizer. „Um die hohen Anforderungen an den Positioniermechanismus im TWI sicherzustellen, haben wir uns nach sorgfältigen Tests für den Hexapod H-824 (Bild 6) von Physik Instrumente (PI) entschieden“, so Dr. Schweizer. Beim eigentlichen Messvorgang muss dieser Hexapod dann auch den Prüfling in fünf Freiheitsgraden stabil positionieren. Hierbei müssen Soll- und Ist-Position sehr genau übereinstimmen. So dürfen z.B. Abweichungen bei der Kippung 60 µrad nicht überschreiten.
Dieser Anforderung wird der Hexapod mehr als gerecht. Er eignet sich für Stellwege bis ±22,5?mm entlang der translatorischen Achsen XY und bis ±12,5 mm in Z und erreicht bis ±7,5° um die rotatorischen Achsen ?X, ?Y. Die Aktorauflösung beträgt 7 nm. Die kleinste Schrittweite liegt bei 0,3?µm in Richtung der X-, Y- und Z-Achse, bei einer Wiederholgenauigkeit bis ±0,1?µm bzw. ±2?µrad über den gesamten Stellweg.
Angesteuert wird der Hexapod vom Digitalcontroller C-887, der mit einer bedienerfreundlichen Software eine einfache Kommandierung ermöglicht. Die Positionen werden in kartesischen Koordinaten vorgegeben, alle Transformationen auf die Einzelantriebe übernimmt der Controller. Optional kommuniziert der Hexapod-Controller mit der übergeordneten Steuerung über EtherCAT® und lässt sich so einfach in bestehende Anlagen integrieren. Dadurch erschließen sich in der Automatisierungstechnik und Robotik viele weitere Möglichkeiten.